Auszug aus einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 4. Mai 2021
Von Johann Kirchberger, Freising
Friedrich Thießen ist Professor für Finanzwirtschaft an der TU Chemnitz, gilt als Experte für Subventionen im Flugverkehr und hat erst jüngst ein Buch zu diesem Thema verfasst. Bei einer Online-Veranstaltung mit dem Landtagsabgeordneten der Grünen, Johannes Becher äußerte er sich zu den außergewöhnlichen Subventionen für den Luftverkehr:
Die Subventionen seien vielfältig, “das ist ein undurchdringliches System”, so Thießen. Der finanziell größte Batzen sei dabei der Verzicht auf eine Kerosinsteuer. Laut Berechnungen des Umweltbundesamtes seien dem deutschen Staat allein dadurch im Jahr 2017 rund acht Milliarden Euro entgangen.
Nächster Schwerpunkt der Subventionen sei der Verzicht auf die Mehrwertsteuer bei internationalen Flügen. Auf 4,1 Milliarden Euro bezifferte Thießen dieses „Steuergeschenk”.
Als Subventionen bezeichnete er aber auch den unzureichenden Schutz der Anrainer vor Fluglärm. Die Grenzwerte für Lärm und Abgase seien so hoch festgesetzt worden, dass sie weit über den WHO-Empfehlungen lägen.
Die hohen Grenzwerte führten auch dazu, dass nach Angaben des Flugmotorenherstellers Rolls Royce lärmreduzierende Techniken aus Kostengründen nicht nachgefragt würden.
Der Professor kritisierte auch, dass Flughafenentgelte nicht kostendeckend festgelegt würden. Dadurch werde der Luftverkehr bei Fracht, Kurz- und Langstrecken, beim Umstieg, Nachtflug und bei der Bodenabfertigung subventioniert. Nichts anderes als eine Subvention sei auch, wenn bei Verspätungen in die Nacht hinein die Anrainer unter Lärm leiden müssten, ohne entschädigt zu werden.
Als Subventionen listete Thießen auch die Zuwendungen der Flughäfen an Airlines auf – in München laut Becher jährlich etwa 25 Millionen Euro! Weiterhin die staatliche Finanzierung von anwendungsnaher Forschung und “Gefälligkeitsgutachten”, mit denen “wahnsinnige Vorteile für eine Region versprochen würden, die nie eintreten”. Ob Forschung, Hersteller, Flugsicherung, Flughäfen oder Airlines, alles werde subventioniert.
Viel erreichen könne man durch eine Reduktion der Flugbewegungen. An seiner TU habe man ein neues System errechnet, das vorsieht, größere Flugzeuge einzusetzen und nicht Slots zu vergeben die alle zehn Minuten das gleiche Ziel ansteuerten. An einem einzigen Tag habe man so die Zahl der Flugbewegungen von 2048 auf 738 reduzieren können. Werde das gemacht, so Thießen, “dann bräuchte man z.B. in München auch keine dritte Startbahn”. Außerdem ließe sich dadurch CO₂ einsparen und es entstünde weniger Lärm.
Danach gefragt was eine neue Bundesregierung tun könne, sagte Thießen: “In allen Bereichen neue Grenzwerte festsetzen und die dann konsequent kontrollieren”. Alternativ könne man sich natürlich auch dazu entschließen, die monetären Entschädigungen deutlich zu erhöhen.